1.Mo 18,1ff Der HERR erschien dem Abraham … drei Männer …

Hier geht es um eine außergewöhnliche Begebenheit im AT, die nicht selten als Beleg für die Dreieinigkeit Gottes genannt wird. Aber ist das tatsächlich so, geht das aus diesem Text hervor?

Die Passage beginnt mit den folgenden Worten:

Und der HERR erschien dem Abraham bei den Terebinthen von Mamre, als er bei der Hitze des Tages am Eingang des Zeltes saß. Und er erhob seine Augen und sah: und siehe, drei Männer standen vor ihm; sobald er sie sah, lief er ihnen vom Eingang des Zeltes entgegen und verneigte sich zur Erde und sagte: Herr, wenn ich denn Gunst gefunden habe in deinen Augen, so geh doch nicht an deinem Knecht vorüber! Man hole doch ein wenig Wasser, dann wascht eure Füße, und ruht euch aus unter dem Baum! Ich will indessen einen Bissen Brot holen, dass ihr euer Herz stärkt; danach mögt ihr weitergehen; wozu wäret ihr sonst bei eurem Knecht vorbeigekommen? (1.Mo 18,1-5)

Zunächst einmal fällt auf, dass eine Erscheinung Gottes beschrieben wird und dabei von drei Männern die Rede ist. Und es fällt auf, dass in diesen und den darauffolgenden Versen sowohl zu einem einzelnen als auch zu allen drei Männern gesprochen wird, und auch umgekehrt einer und auch alle drei zu Abraham reden. Daraus ließe sich durchaus eine Dreieinigkeit Gottes ableiten, auch wenn die Bibel dies nicht direkt tut.

Es wird uns hier nicht berichtet, wie Abraham erkannte, dass „der HERR“ ihn hier besuchte, und ob er es überhaupt erkannte. Aber die Bibel redet sehr wohl vom HERRN, der hier spricht, und wo vom HERRN in Großbuchstaben die Rede ist, stand ursprünglich JHWH im Text. Die Anrede Abrahams an Gott ist „HERR“ (adonai), was im AT – soweit mir bekannt – ausschließlich für Gott verwendet wird, während das ihm ähnliche Herr (adoni / adon) hauptsächlich für menschliche Herren gebraucht wird, was zum Beispiel Sarah in Vers 12 macht. Darum können wir wohl annehmen, dass Abraham wusste, mit wem er es zu tun hatte, auch wenn eingangs eher von einer typisch orientalischen Gastfreundschaft berichtet wird als von einer tatsächlichen Begegnung mit dem allmächtigen Gott.

Hat Abraham alle drei Männer zusammen als „den Herrn“ angeredet? Oder hat er zwei davon vielleicht nur als Begleiter erkannt? Auch diese Frage wird nicht direkt beantwortet, aber bereits der Vers 22 mach deutlich, dass nur einer von den Dreien der HERR ist:

Und die Männer wandten sich von dort weg und gingen nach Sodom; Abraham aber blieb noch vor dem HERRN stehen.

Noch deutlicher wird es in Kap 19,1, wo die beiden Männer schlicht als Engel bezeichnet werden, die am Abend nach Sodom kamen und von Lot als Herren (adoni) angeredet werden. „Männer“ werden sie im gesamten Kap. 19 hauptsächlich genannt, und in Vers 13 machen sie selbst klar, dass sie keineswegs ein Teil von JHWH seien (Trinitarier reden zuweilen von der ersten, zweiten und dritten Person Gottes), sondern von JHWH gesandt wurden, die Stadt zu verderben:

Denn wir wollen diesen Ort verderben, weil ihr Geschrei groß geworden ist vor dem HERRN; und der HERR hat uns gesandt, die Stadt zu verderben. (1.Mo 19,13)

Gegen Ende von Kap 19 gibt es noch einen Vers, der unter anderen Johannes Pflaum dazu veranlasst hat, von mehr als einem JHWH auszugehen (Link), denn dort heißt es in Vers 24, dass der HERR Feuer vom HERRN aus dem Himmel regnen ließ. Es war ganz offensichtlich nicht ein menschliches oder irdisches Feuer, welches ausbrach, sondern „Feuer vom HERRN“, welches der HERR vom Himmel regnen ließ. Das sollte aber keinesfalls ein Grund sein, Gott zu widersprechen, der deutlich gesagt hat: „Ich bin JHWH und sonst keiner“ (Jes 45,5). Es gibt also nur einen JHWH. Da jedoch Gottes eigenes Wort solche Theologen nicht davon abzuhalten vermag, ihre eigenen Auslegungen höher als Gottes Wort zu achten, so werden es meine Darlegungen noch weniger zu tun vermögen. Meine Hoffnung und Gebet aber ist, dass sie denen, die aufrichtig nach der Wahrheit suchen, eine Hilfe sind.

Wie dieser Bericht insgesamt zu betrachten ist hinsichtlich der Erscheinung Gottes, vermag ich nicht zu sagen, denn es steht geschrieben, dass niemand jemals Gott gesehen hat, und dass Gott Geist ist und obendrein unsichtbar ist.

Dennoch wird berichtet, dass u.a. 70 von den Ältesten Israels Gott sahen

Da stiegen Mose und Aaron, Nadab und Abihu und siebzig von den Ältesten Israels hinauf, und sie sahen den Gott Israels. Und unter seinen Füßen war es wie Arbeit in Saphirplatten und wie der Himmel selbst an Klarheit. Gegen die Edlen der Söhne Israel aber streckte er seine Hand nicht aus, sondern sie schauten Gott und aßen und tranken. (2.Mo 24,9-11),

ebenso Hiob

Vom Hörensagen hatte ich von dir gehört, jetzt aber hat mein Auge dich gesehen. (Hiob 42,5)

und Jesaja

Im Todesjahr des Königs Usija, da sah ich den Herrn sitzen auf hohem und erhabenem Thron, und die Säume seines Gewandes füllten den Tempel. (Jes 6,1)

und auch Johannes

Sogleich war ich im Geist: und siehe, ein Thron stand im Himmel, und auf dem Thron saß einer. Und der da saß, [war] von Ansehen gleich einem Jaspisstein und einem Sarder, und ein Regenbogen [war] rings um den Thron, von Ansehen gleich einem Smaragd. (Off 4,2-3),

um ein paar Beispiele anzuführen.

Somit besteht eine gewisse Spannung zwischen diesen Aussagen, die ich nicht auflösen kann, auch nicht auflösen möchte. So oder so bleibt es jedenfalls dabei, dass der HERR nur ein einziger HERR ist, wie das höchste aller Gebote – und wie Gott selbst - es sagt:

Höre, Israel: Der HERR ist unser Gott, der HERR allein! (5.Mo 6,4)

Ich bin der HERR (JHWH) und sonst keiner. Außer mir gibt es keinen Gott. (Jes 45,5)

Ich bin JHWH, Dein Gott … Du sollst keine anderen Götter haben neben mir (2.Mo 20,2-3)