6. Ist der Glaube an den dreieinigen Gott ein monotheistischer Glaube?
Das Fundament des normativen Judentums ist immer streng monotheistisch gewesen – es ist der Glaube, dass es nur einen zahlenmäßig einen Gott gibt, den GOTT Israels, dessen Name JHWH ist, der üblicherweise auch „Jahwe“ geschrieben. Dieser Glaube an den einen GOTT ist das, was einen Juden zu einem Juden macht. Er war es, der die Juden von ihren Nachbarn unterschieden hat, die in der Antike polytheistisch gewesen sind.
Die Juden haben immer geglaubt, dass ihr Glaube so entschieden in einem Bekenntnis ausgedrückt wird, das sie „das Shema“ nennen. Niedergeschrieben in ihren Schriften lautet es:
„Höre, Israel: Der HERR ist unser GOTT, der HERR allein! Und du sollst den HERRN, deinen GOTT, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft.“ (5. Mo 6, 4-5)
Das hebräische Wort, das mit „allein“ in Vers 4 übersetzt worden ist, ist „echad“. Seine ursprüngliche Bedeutung ist das zahlenmäßige „ein“ und so wird es auch über 600 Mal in der New American Standard Bibel (NASB) übersetzt. Seine zweithäufigste Übersetzung von echad in der NASB ist das Wort „der“ und kommt hier 55 Mal vor. Echad bedeutet normalerweise also „ein(s)“. (In der unrevidierten Elberfelder Bibel wird es 562 Mal mit „ein”, 213 Mal mit „einer” und 44 Mal mit „der” übersetzt)
Jesus hat das Shema wiederholt bestätigt. Wie jeder andere Jude auch, scheint er geglaubt zu haben, dass GOTT zahlenmäßig einer ist. Zum Beispiel hat ihn ein Schriftgelehrter einmal gefragt: „Welches Gebot ist das erste von allen?“ (Mark 12, 28; vergl. Matth 22, 36). Jesus hat ihm geantwortet, indem er das Shema zitiert hat und gesagt hat, das es das „erste“ ist (V. 29). Der Schriftgelehrte antwortete: „Recht, Lehrer, du hast nach der Wahrheit geredet; denn ER ist EINER, und es ist kein anderer außer IHM.“ (V. 32). Jesus hat diese Aussage als richtig akzeptiert, indem er erwidert hat: „Du bist nicht fern vom Reich GOTTES.“ (V. 34). Hat Jesus geglaubt, dass GOTT eine Person ist und nicht zwei oder drei? Es scheint so zu sein.
Im Johannesevangelium hat Jesus GOTT sogar noch genauer als einen zahlenmäßig Einen identifiziert. Einmal hat er zu seinen Anklägern gesagt: „Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander nehmt und die Ehre, die von dem alleinigen [dem einzigen; dem allein wahren] GOTT ist, nicht sucht?“ (Joh 5, 44). Später hat er für seine Jünger zum „Vater“ gebetet: „Dies aber ist das ewige Leben, dass sie DICH, den allein wahren GOTT, und den DU gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.“ (Joh 17, 3). Hiermit hat Jesus den Vater nicht nur als den „allein wahren GOTT“ beschrieben, sondern sich selbst mit dieser Aussage auch von IHM unterschieden, was eine klare Verneinung darstellt, dass er selbst GOTT ist.
Trinitarische Theologen bestehen darauf, dass sie monotheistisch sind, dass sie an einen Gott glauben. Aber die meisten von ihnen definieren „einen“ als eine Einheit und nicht als einen zahlenmäßig Einen. Viele Muslime und Juden, die ebenfalls behaupten, Monotheisten zu sein, lehnen diese Definition ab, in dem sie den Trinitariern vorwerfen, dass sie tritheistisch sind, was bedeutet, dass sie an drei Götter glauben.
Was ist also nun Monotheismus? Henry More, ein platonistischer Philosoph aus Cambridge hat das Wort „Monotheismus“ im 17. Jahrhundert geprägt. Es ist eine transkribierte Verbindung von zwei griechischen Wörtern. Das Wort „mono“ leitet sich von dem griechischen Wort monos ab und bedeutet „einzig“, „allein“ oder „alleinig“. Als Vorsilbe kann „mono“ aber auch ein zahlenmäßiges „eins“ bedeuten. Das Wort „Theismus“ leitet sich von theos ab, dem griechischen Wort für „Gott“ und bedeutet daher „Glaube an Gott“. Die Verbindung dieser zwei Worte kennzeichnet den Glauben an einen zahlenmäßigen einen Gott/GOTT, im Gegensatz zu dem Wort Polytheismus, was ein Glaube „an viele Götter“ oder „an mehr als einen Gott“ ist. Die Trinitarier jedoch definieren den einen GOTT der Bibel als drei wesensgleiche Personen. Es scheint deshalb problematisch zu sein, wenn man die trinitarische Christenheit als monotheistisch kategorisiert. Aus diesem Grund lehnen einige moderne Religionswissenschaftler das Wort „Monotheismus“ als sinnvolle Kategorie ab.
Die Juden haben schon immer ihren Monotheismus heftig gegen den Trinitarismus verteidigt. Und sie haben bestritten, dass es in ihren Schriften irgendeinen Hinweis auf einen Trinitarismus gibt. Für viele religiöse Juden scheint die Lehre der christlichen Kirchen von der Dreieinigkeit Gottes eine Gotteslästerung zu sein. Und genauso würden sie die Juden auch zu der Zeit Jesu eingestuft haben. Über diese Zeit sagt Raymond E. Brown ganz richtig: „Für die Juden ist „GOTT“ der GOTT und Vater im Himmel.“
Die Hauptsache, die Christen und religiöse Juden getrennt hat, ist nicht die Frage gewesen, ob Jesus der Messias gewesen ist oder nicht, sondern ob der eine GOTT aus mehr als aus einer Person besteht. Der jüdische Schriftsteller David Klinghoffer es erklärt sehr gut: „In der talmudischen und der anderen frühen rabbinischen Literatur [die in den ersten Jahrhunderten des christlichen Zeitalters entstanden sind] hat das am meist angesprochene strittige Thema, das gegen die Christen gerichtet gewesen ist, mit der Anklage zu tun, dass letztere zwei Götter anbeten. Nicht drei, wie in den späteren christlichen Formulierungen - Vater, Sohn und Heiliger Geist - sondern zwei. In den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung sind jedoch nicht alle Christen formelle Trinitarier geworden, denn der Heilige Geist hatte damals noch nicht den Götterhimmel betreten.“
Wie sollte Monotheismus also definiert werden? Larry Hurtado schlägt trotz der Absurdität vor, wir sollten, „die Menschen als Monotheisten bezeichnen, wenn sie sich selbst so beschreiben.“ Aber die meisten Christen lassen so eine ungenaue Definition als bekenntnishaftes Zeugnis für eine Bekehrung zu ihrem Glauben nicht zu. Die meisten kirchlichen Denominationen haben einige Kriterien festgeschrieben, nach denen sie entscheiden, wer ein richtiger Christ ist (obwohl sie sich oft in diesen Kriterien untereinander unterscheiden). In der Regel spiegeln sich diese Kriterien in ihren Bestimmungen für eine formelle kirchliche Mitgliedschaft wieder.
Christen akzeptieren daher gemeinhin einen Menschen nicht als einen der Ihren, nur weil dieser bekannt hat, ein Christ zu sein. Angehende Mitglieder müssen vielmehr die etablierten Kriterien der jeweiligen kirchlichen Gemeinschaft erfüllen. In vergangenen Zeiten sind solche Standards oft in der Form eines Katechismus oder eines Bekenntnisses niedergelegt worden. Das Neue Testament zeigt uns, dass von den ersten jüdischen Christen zumindest folgende Bekenntniskriterien verlangt worden sind: „Jesus ist Herr, Messias/Christus, Sohn GOTTES und Erlöser; GOTT hat ihn von den Toten auferweckt.“ (Röm 10, 9-10; Joh 20, 30-31; 1. Kor 15, 3-4).
Ebenso scheint es einige Kriterien zu geben, die entscheiden, wer ein Monotheist ist und wer nicht, und die über ein reines Bekenntnis hinausgehen. Ich schlage als einfache Formel vor, die Wortherkunft von „Monotheismus“ zu nehmen, wie sie oben dargelegt worden ist; eine Definition, die im starken Kontrast zum „Polytheismus“ steht. Demnach ist es höchst zweifelhaft, ob ein Binitarismus – der Glaube, dass es zwei Personen in einer Gottheit gibt – oder der Trinitarismus, was der Glaube an drei Personen in einer Gottheit ist, zu Recht monotheistisch genannt werden kann.